Ein Ergebnis tradierter Geschlechterrollen - Unterdrückte Gefühle können allerdings auf lange Sicht krank machen
Augsburg/Krumbach, 29.10.2021 (pca). "Als man meinen Vater in den Sarg legte, das war ein ergreifender Moment", erzählt Richard Snehotta, "es war ein Akt des Loslassens." Der Inhaber des Unternehmens "Snehotta Pflegeteam" in Krumbach ist schon von Berufs wegen mit den Fragen von Leben und Sterben vertraut. Wenn der Tod jedoch in der eigenen Familie oder im nahen Umfeld eintritt, ist das auch für Menschen, die professionell oder ehrenamtlich viel mit Sterbenden zu tun haben, noch einmal anders. "Mir wurde dabei nochmals sehr deutlich, wie wichtig die Beerdigungsrituale sind, um Abschied nehmen zu können", sagt Snehotta. Das gilt für alle Angehörigen, unabhängig vom Geschlecht. Und doch: In der Folgezeit trauern Männer anders.
"Zu unseren Trauergruppen kommen überwiegend Frauen", stellt Monika Drexler, Koordinatorin des Krumbacher Hospizvereins, fest. Sind die Hinterbliebenen Männer, dann suchen sie eher Trost und Rat in einem geschützten Rahmen, "beispielsweise unter vier Augen im Büro oder am Telefon." Sie bestätigt damit, was einer der wohl bundesweit bekanntesten Trauerbegleiter für Männer, Thomas Achenbach aus Osnabrück, in der Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung (ZSTB) so formulierte: "Wenn sich Männer wirklich öffnen wollen, dann brauchen sie einen gut geschützten Rahmen, in dem sie sich sicher fühlen können. Nur wenn diese Sicherheit spürbar wird und wenn sie genug Vertrauen zulässt, trauen sich die Männer auf diesen Weg in ihr Inneres, der für sie oft ungewohnt ist."
"Das ist einfach auch ein Resultat der seit langer Zeit verfestigten Geschlechterrollen", meint Monika Drexler, "Männer sollen, so vermittelt es die Gesellschaft, vor allem in solchen Krisen, stark sein und Stabilität ausstrahlen, sie erlauben sich oftmals keine Tränen oder sichtbaren Gefühle." Dass unterdrückte Gefühle auf lange Sicht jedoch auch krank machen können, weiß man inzwischen aus der psychologischen Forschung. "Ich rate den Männern, die zu uns kommen, sich damit auseinanderzusetzen", so die Hospizarbeiterin. Denn, so Thomas Achenbach in seinem Beitrag für die ZSTB: "Trauer, sage ich gerne bei Begleitungen, ist das am meisten unterschätzte Gefühl, das es gibt. Wer das erlebt, bleibt oft unverstanden, gewiss aber ungetröstet."
Richard Snehotta hatte sich schon während seines Zivildienstes in einem Pflegeheim Gedanken über solche Themen gemacht. "Ich fand das damals sehr unwürdig, wie man mit verstorbenen Menschen umgegangen ist." Dabei seien Geburt und Tod die wesentlichen Lebensfragen, "aber über das Sterben wird wenig gesprochen, es ist fast schon tabuisiert." Und auch über Trauer zu sprechen, ist nicht einfach. Trauernde, so weiß auch Monika Drexler, werden nach einer gewissen Zeit auch mit der Haltung konfrontiert, "nun müsse es aber auch gut sein." Dabei kennt dieses Gefühl keine definierte Ablaufzeit, das ist bei jedem Menschen anders, ob Frauen oder Männer. Sie kann nur, je nach Geschlecht, verschiedene Ausdrucksformen haben. Männer", so Thomas Achenbach, "trauern gar nicht anders als Frauen. Die Frage ist vielmehr, wie Männer ihre Trauer ausleben, wie sie sie kommunizieren, wie sie damit umgehen."
Der jüngeren Männergeneration könnte das leichter fallen, wenn die Thematik nicht an sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs verdrängt wird, meint Richard Snehotta. Snehotta ist einer der wenigen Männer, die bei der Ökumenischen Hospizinitiative für Krumbach und Umgebung auch als Sterbebegleiter ehrenamtlich engagiert ist. Aus dem Umgang mit Angehörigen weiß er: "Auch wenn die Männer selbst oft sehr verstört sind, wenn sie ein Familienmitglied verlieren, nehmen sie sich doch sehr zurück." Viele konzentrieren sich auf das Organisatorische, das mit einem Sterbefall auf die Hinterbliebenen zukommt, "das beschäftigt und lenkt auch ein Stück weit von der eigenen Trauer ab." Aus seiner beruflichen und ehrenamtlichen Arbeit weiß er jedoch, dass es für alle Seiten wichtig ist, den Abschied würdevoll zu gestalten: "Das ist sicher der erste Schritt in der Trauerphase."