Gesellschaft im Wandel: Wie stellt sich die Caritas in Zukunft auf?
Kirche und Gesellschaft befinden sich im Wandel. Darauf will und muss auch die Caritas reagieren und Antworten finden. Der Vorstand des Deutschen Caritasverbandes hatte 2013 den "Zukunftsdialog Caritas 2020" angestoßen und 2014 mit sechs regionalen Workshops und Fachtagen eine breite Beteiligung ermöglicht. Eingeladen waren Personen mit Leitungsverantwortung, die engagiert die Rolle der Caritas als Teil von Kirche und Gesellschaft diskutierten.
Wie definiert sich die Caritas zukünftig?
Für ihre Zukunftsfähigkeit muss sich die Caritas viele Fragen stellen. So etwa, ob sie sich aus Einrichtungen und Diensten – von der Kinder- und Jugendhilfe über die Suchtberatung bis hin zur Altenpflege - zurückziehen müsste, wenn sie nicht mehr genügend Mitarbeitende findet, die sich zum katholischen Glauben bekennen? Am Beispiel Kindertageseinrichtung lassen sich die Fragen konkretisieren: Gilt eine katholische Kindertageseinrichtung auch dann als kirchlicher Lernort, wenn dort neben katholischen Erzieherinnen auch Mitarbeitende anderer Konfessionen und Grundhaltungen zusammenkommen? Wie gelingt es, in einer katholischen Kita Kinder unterschiedlicher sozialer, religiöser und weltanschaulicher Herkunft gemeinsam auf einer christlichen Basis zu betreuen? Wie kann eine Wahlfreiheit hergestellt werden, wenn zum Beispiel Eltern in einer weitgehend mit katholischen Kindergärten ausgestatteten Region einen nicht-konfessionell geprägten Platz für ihre Kinder wollen? Würde dies für die Caritas bedeuten, sich punktuell zurückzuziehen?
Aktuelle Bestandsaufnahme zur Situation der Caritas
Der "Zukunftsdialog Caritas 2020" hat vier wichtige Erkenntnisse zutage gefördert, die die derzeitige Situation in der Caritas betreffen:
1. Der Anteil der Caritas am Markt sozialer Dienstleistungen nimmt ab
In einigen Bereichen wächst die Caritas, in anderen wird sie kleiner. Der Anteil der Caritas am gesamten Markt sozialer Dienstleistungen und Einrichtungen in Deutschland ist – entgegen der kirchlichen und auch öffentlichen Wahrnehmung – tendenziell rückläufig.
2. Ökonomie versus christlich-ethischen Anspruch
Die Dienste und Einrichtungen stehen in einem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und einem hohen christlich-ethischen Anspruch. Die hohe Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln wird kritisch gesehen, stattdessen forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des "Zukunftsdialogs Caritas 2020" eine stärkere Beteiligung an kirchlichen Mitteln, um noch wirksamer an den Rändern der Gesellschaft arbeiten zu können. Deutlich wurde, dass ein Weg gefunden werden muss, um die Anwaltschaftlichkeit und solidaritätsstiftende Funktion der Caritas stärker zu profilieren.
3. Wunsch nach stärkerer Verbindung Caritas – Gemeinde
Für viele überraschend haben 61,4 Prozent der Anwesenden die Einschätzung geäußert, dass die Kirche, um ihrem Auftrag gerecht werden zu können, eine stärkere gemeindlich orientierte Caritas brauche.
Der Wunsch wurde laut, dass Pfarrgemeinden und verbandliche Caritas enger zusammenrücken sollten.
4. Einschränkungen durch kirchliches Arbeitsrecht und Fachkräftemangel
Der Fach- und Führungskräftemangel ist auch in der Caritas angekommen. Verstärkt wird er nicht zuletzt durch das kirchliche Arbeitsrecht, das unter anderem geschiedene und wiederverheiratete Menschen nur eingeschränkt akzeptiert. Die starke Kritik am jetzigen kirchlichen Arbeitsrecht liegt mehrheitlich (73 Prozent) in diesem Aspekt der Loyalitätspflicht begründet. Für rund zwei Drittel der Befragten würden sich durch eine Öffnung die wesentlichen Probleme lösen. Es zeigte sich in allen Workshops, dass ein Umgang mit unterschiedlichen Lebensformen vorstellbar ist. Denn es geht nicht nur darum, geeignete Mitarbeitende zu finden. Hier stehen auch Glaubwürdigkeit und ethische Plausibilität auf dem Prüfstand. Die Caritas wird weiterhin mit den Bischöfen nach Lösungen suchen.
Der Prozess geht weiter. Aus den Zwischenergebnissen des Zukunftsdialogs wird die Delegiertenversammlung der Caritas im Jahr 2015 den strategischen Handlungsbedarf für die kommenden fünf bis zehn Jahre erarbeiten.